Browser-Situation PC vs. Amiga

von
Thomas Heinrich
oder: Nichts ist umsonst

In mancher Beziehung ist der Amiga-Markt gar nicht so sehr vom PC-Markt verschieden: Hier wie dort gibt es hauptsächlich drei WWW-Browser, aus denen man wählen kann. Auf dem Amiga sind das AWeb, IBrowse und Voyager NG. Auf dem PC der MS Internet Explorer, Netscape Navigator und Opera.

Wo liegt der große Unterschied ?

Explorer und Navigator sind für PCs kostenlos erhältlich. Opera kostet in etwa so viel, wie ein Amiga-Browser. Alle Amiga-Browser sind aber mindestens Shareware, kosten also alle etwas. Warum bekommt der PC- Nutzer etwas geschenkt ?

Die PC-Situation

Bis vor kurzem war nur der Explorer kostenlos. Microsoft hatte das Internet schlichtweg falsch eingeschätzt und den Anfang des Booms total verschlafen.

So hatte Netscapes Navigator durch sein Sharewarekonzept und seine frühe Verfügbarkeit den Microsofties die Marktanteile frühzeitig weggenommen. Kein klar denkender User hätte für den Explorer bezahlt, wenn der Navigator (oder Communicator, wie er jetzt heißt) so billig ist. Denn definitiv haben die wenigsten ihre Sharewaregebühr bezahlt, und eingeschränkt war am Navigator auch nichts.

Die Browser waren also nur noch Instrument zum Erhaschen von Marktanteilen, die dann letztlich durch Zusatzprodukte Profit bringen sollten. Der Explorer hat in der letzten Zeit erheblich Boden gut gemacht, so daß Netscape nun den Quellcode seines Navigators freigegeben hat. In der Konsequenz bedeutet das, daß auch für den Amiga bald ein Navigator zur Verfügung stehen könnte, mehr dazu später.

Sowohl Explorer, wie auch Navigator, sind in ihren neuesten Versionen recht behäbige Speicherfresser. Viele User haben jedoch noch ihre "alten" 486er, und so kam eine dritte Firma ins Spiel, Opera Software, mit ihrem Opera Browser. Diese Firma legt bei ihrem Browser Wert auf Geschwindigkeit und Genügsamkeit, auf optimierte Software. Der Nachteil den anderen Mitbewerbern gegenüber ist jedoch der Preis: Opera kostet etwas, nämlich ca. 60 DM (35 Dollar).

Alsbald hat deswegen wohl auch Opera bemerkt, daß der PC-Markt keine satten Gewinne bringt, und ein Projekt ins Leben gerufen, das "Project Magic". Sinn des Projekts ist es, Opera auch auf anderen Plattformen als Konkurrenz zu Navigator (Linux, Mac, OS2) und Explorer (Mac, OS2) zu etablieren. Ursprünglich war "Project Magic" auf Linux, Macintosh und OS/2 beschränkt, durch die gehäuften Anfragen wurde aber auch der Amiga mit ins Projekt aufgenommen.

Die Amiga-Situation

Durch Netscapes und Operas Initiativen könnten dem Amiga-User bald fünf Browser zur Auswahl stehen. Das hört sich jedoch besser an, als es in Wirklichkeit ist.

Der Netscape Navigator krankt an seinen Lizenzen von Drittfirmen. Vor allem die Programmiersprache Java, die auf dem Amiga in der benötigten Form noch nicht verfügbar ist, wird es durch die Rechte der Herstellerfirma Sun wohl nicht bis zu einer Portierung auf den Amiga schaffen. Damit bleibt dem Amiga eine im Internet immens wichtige Programmiersprache bis auf weiteres verschlossen.

Wichtig ist hierbei nicht die Sprache selbst, die gibt es schon für den Amiga, sondern die Funktionsbibliotheken, die die Hauptfunktionalität der im Internet verfügbaren Java-Applets ausmacht. Ohne diese ist Java nur eingeschränkt nutzbar. Sollte es also einen Navigator für den Amiga geben, dann wohl in sehr abgespeckter Fassung, die sich nur durch ihre Trägheit von den anderen Amiga-Browsern abheben wird.

Opera Software indes hat nichts zu bieten, das ein Amiga-Browser nicht auch beherrscht. Einzig der Support und die Nähe zum übermächtigen PC-Markt bieten Chancen für dieses Produkt. Es bleibt auch abzuwarten, wie sich ein Programmierteam, das bisher nur auf anderen Betriebssystemen zu Hause ist, sich mit der effizienten Natur des AmigaOS arrangiert. Viele Portierungen auf den Amiga sind an den Bedienungsgewohnheiten des Amiga- Users vorbeiprogrammiert, oder einfach nur langsam.

Somit bleiben noch die existierenden Amiga-Browser. Aber gerade die haben es schwer, denn durch das Beispiel PC-Markt, auf dem doch anscheinend jede Software kostenlos ist, will natürlich auch hier niemand zahlen. Noch dazu für eine Technik, die dem PC-Sektor um mindestens ein Jahr hinterherhinkt.

War also alles umsonst?

Im Krieg der Browser gibt es, egal auf welcher Seite, eigentlich nur Verlierer - eben wie im richtigen Leben. Dem Amiga bringt die Zuwanderung von PC-Produkten nur eine größere Auswahl; oder die Notwendigkeit, die Hardware aufzurüsten. Also in jedem Fall Kosten. Der PC-Markt wird sowieso von Microsoft dominiert, so daß eine Entscheidung für Produkte von anderen Firmen ein gewisses Zukunftsrisiko enthält. Trotzdem ist Microsoft nicht der lachende Gewinner. Tatsache ist, daß MS vor allem durch Zukauf von Fremdtechnologien, deren Firmen durch MS selbst ausgehungert wurden, so groß geworden ist. Eine echte Eigenentwicklung ist von MS noch nie ausgegangen, selbst Windows NT enthält zugekaufte Technologien.

Der Amiga hat mit noch mehr Schwierigkeiten zu kämpfen. Hier ist es gerade die umgekehrte Situation: Dem Amiga fehlt eine Hauptfirma, die als Schrittmacher die grobe Marschrichtung vorgibt. Die lange Zeit ohne einen Eigentümer des Markenzeichns Amiga, hat zwar den Wettbewerb zwischen den Firmen, die dem Amiga treu geblieben sind, belebt; jedoch ohne Zukunftsperspektive für die Firma sind dies nur wenige.


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